Bernhard Christ: «Unsere Kirche soll stärker zusammenwachsen und sich vernetzen»
Die Evangelisch-reformierte Kirche Basel-Stadt arbeitet an einer Totalrevision ihrer Verfassung. Das Kirchenvolk hat den Weg dafür im Rahmen einer Volksabstimmung 2021 frei gemacht. Seither hat die Verfassungskommission die neue Verfassung erarbeitet. Ende Juni wird die Synode diesen Entwurf beraten. Aber warum braucht eine Kirche eigentlich eine Verfassung? Warum muss, nur 12 Jahre nach der letzten Totalrevision, die Verfassung der Basler Kirche wieder angepasst werden? Warum braucht die Kirche eigenes Recht und was hat das alles mit dem Glauben zu tun? Diese Fragen beantwortet Bernhard Christ. Der Basler Jurist, Advokat und Alt-Kirchenrat war schon an der letzten Verfassungsrevision beteiligt und hat auch die aktuelle Totalrevision mitgeprägt.
Warum braucht die Kirche eine Verfassung?
Es gab den Kirchenrechtslehrer Rudolph Sohm, der behauptete, das Recht stehe zur Kirche in einem fundamentalen Gegensatz. Aber das stimmt nicht: Die Kirche ist eine menschliche Gemeinschaft und braucht deswegen auch ihre ganz diesseitigen Ordnungen.
Warum reichen nicht einfach Statuten?
Statuten reichen durchaus. Die Kirchenverfassung der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt ist nichts anderes als das, was die Statuten eines Vereins wären. Wären wir eine privatrechtlich organisierte Kirche wie die Methodistische Kirche, dann würde unsere Ordnung «Statuten» heissen. Es ist dasselbe. Aber gleichzeitig ist dieses Statut bei uns kirchliches Recht. Die Verfassung bildet also den organisatorischen Rahmen und spiegelt unser Bekenntnis, ist also gleichzeitig ein Zeugnis der Herrschaft Christi unter der wir stehen.
Wir unterliegen alle dem staatlichen Recht – welchen Status hat daneben das kirchliche Recht?
Es hat einen anderen Status. Die Kirche ist ein eigenes Volk unter eigener Herrschaft, der Herrschaft Gottes. Sie hat deshalb ein eigenes Recht, das sich dann aber wieder der Rechtsformen bedient, die das staatliche Recht gebildet hat.
Die Kirche – ein eigenes Volk unter der Herrschaft Gottes mit eigenem Recht – das tönt, als hätten wir eine Scharia?
Die Scharia ist ein umfassendes für jedermann geltendes Zivil- und Strafrecht. Unser kirchliches Recht will nicht die ganze Menschheit ordnen, wie das die Scharia will. Wir wollen damit die Regeln setzen, die innerhalb der Kirche gelten sollen.
Wieviel Glaube gehört in die Verfassung?
Es gehört viel Glaube in eine Verfassung, indem sie nicht darum herumkommt, zu sagen, was sie glaubt oder wie wenig sie glaubt. Unsere Baselstädtische Kirchenverfassung ist in dieser Beziehung sehr sparsam und versucht, sich nicht zu verengen und eine bekenntnismässige Einschränkung herbeizuführen. Unsere baselstädtische Kirche versucht, in diesem Punkt offen zu bleiben. Die Glaubensaussage, die darin enthalten ist, ist auf den innersten Kern konzentriert, der absolut unverzichtbar ist für eine evangelische christliche Kirche.
Inwiefern ist die Gültigkeit der Verfassung auf diesen Glaubenssatz beschränkt, ist die Verfassung also Glaubenssache?
Ich würde sagen, die Verfassung gilt für die, die zu dieser Gemeinschaft gehören wollen. Das reicht, um für deren Mitglieder die Gültigkeit zu begründen. Man muss von ihnen kein bestimmtes Commitment verlangen. Wenn in der katholischen Kirche ein Bischof gewählt wird, dann muss der Bischof eine Glaubenserklärung abgeben. Das muss er sogar mit einem Eid auf die Evangelien beschwören. Dies verlangen wir von unseren Mitgliedern nicht.
Beinhaltet die Mitgliedschaft ein Glaubensbekenntnis?
Nein, die Mitgliedschaft ist noch kein Glaubensbekenntnis. Aber man anerkennt damit den Glauben der Kirche. In unserer Kirche ist es möglich, gleichsam stellvertretend glauben zu lassen: Mit seiner Mitgliedschaft in unserer Kirche drückt ein Mensch aus, dass er es bejaht, was in der Kirche geschieht. Voraussetzung dafür ist aber, dass in der Kirche gebetet wird, dass auf die Bibel gehört, dass geglaubt, dass das Bekenntnis gesprochen wird. Die Verfassung ist nichts anderes als die Basis, auf der sich dies abspielen kann. Sie ermöglicht es auf der Ebene der Organisation, der Strukturen.
Warum muss die Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche schon nach etwa einem Jahrzehnt wieder revidiert werden?
Als ich vor acht Jahren aus dem Kirchenrat zurücktrat, hatte ich schon gesagt, dass ich mir nicht einbilde, dass die Verfassung von 2010 so lange halten werde wie die vorherige, die (wenn auch mit einigen Partialrevisionen) 100 Jahre lang bestand. Unsere Kirche ist starken Veränderungen unterworfen. Die Zahl der Mitglieder und die materielle Basis spielen eine Rolle. Es fragt sich, wie viele Gottesdienstorte wir noch aufrechterhalten können, damit an diesen «Orten kirchlicher Tätigkeit» noch richtiges, gottesdienstliches Leben stattfinden kann. Auf diese Bedingungen muss die Verfassung reagieren: Wir brauchen mehr Flexibilität. Die neue Verfassung schafft vor allem den Rahmen, dass wir den Wandel, der ja weitergehen wird, ohne ständige Anpassung der Verfassung meistern können.
Was sind die wichtigsten Änderungen?
Zuallererst versuchen wir, mit den Ressourcen an Personen, die in der Lage und fähig sind, kirchliche Ämter zu versehen, sparsamer umzugehen. Die Synode wird verkleinert, bleibt aber ein Parlament, das die ganze Vielfalt der Kirche abbilden kann. Eine andere wesentliche Änderung betrifft die Planung über die Mittel, die zur Verfügung stehen. Sie soll näher an die Gemeinden rücken und vom Kirchenrat als Exekutive in enger Zusammenarbeit mit den Gemeinden erarbeitet werden. Die Synode behält ihre Kompetenz mit dem Beschluss über das Ausgabenbudget. Bisher war die Planung ja ein Gesetzgebungsakt, den die Synode vorzunehmen hatte. Wenn sich aber die Synode gestaltend einbringen wollte, war das schwierig, weil sie eine gewisse Ferne zu den Gemeinden hatte. Deshalb kam es zu einer Initiative von Gemeinden. Diese Anregung haben wir als Konsensergebnis in die neue Verfassung eingearbeitet.
Wie ermöglicht die neue Verfassung mehr Flexibilität?
Wir legen mit der neuen Verfassung die verfassungsrechtlichen Grundlagen, die ermöglichen, dass die Synode die operativen Details mit sog. Ordnungen auf der Gesetzesstufe regelt. Die Verfassung baut also gleichsam «Steckdosen» ein, in die dann (immer im Bild gesprochen) das Gerät, also die Ordnung, das kirchliche Gesetz, angeschlossen werden kann. Das Gerät, also die Ordnung, müssen wir erst noch schaffen. Aber die Verfassung gibt die Richtung vor und die rechtliche Grundlage dafür. Es braucht da in den Details noch gestalterische Ideen, wie das im Einzelnen auszuführen ist. Die Grundidee der Verfassungsrevision ist aber, dass wir gar nicht den Anspruch erheben, die nächsten 20 Jahre präzise zu regeln. Wir wollen in die Lage kommen, flexibler zu sein. Den Toaster, den man einsteckt, den kann man auch wieder auswechseln und mit einem Modell ersetzen, das weniger Strom braucht; so soll auch später eine Ordnung neuen Erfordernissen angepasst werden können, ohne dass man das Volk für eine Verfassungsrevision zur Urne bitten muss. Denn Abstimmungen sind nicht nur zeitaufwendig, sie sind auch teuer. Die Kantonsverfassung verlangt aber, dass jede Änderung der Verfassung vom Volk genehmigt werden muss.
Stellt das Volk Synode und Kirchenrat mit der neuen Verfassung eine Art Blankocheck für zukünftige Veränderungen aus?
Diese Gefahr besteht nicht. Das Volk ist nicht ausgeschaltet, es kann immer noch das Referendum gegen jeden Beschluss der Synode ergreifen. Das ist in der Kirche einfacher als beim Staat: Es genügt z. B. auch, wenn zwei Kirchenvorstände das Referendum ergreifen. Schon diese Möglichkeit, dass Kirchenvorstände ein Referendum ergreifen könnten, genügt, um in der Synode zu konsensfähigen Lösungen zu kommen. Auf der anderen Seite muss man auch sehen, dass nur ein kleiner Teil unseres Kirchenvolks, also unserer 25'000 Mitglieder, wirklich an die Urne geht. Das war auch schon so, als die Kirche noch 140'000 Mitglieder hatte. Schon damals war es nur etwa ein Zehntel der Mitglieder, die sich aktiv einbrachten. Das liegt im Wesen einer Volkskirche, die wir ja auch bleiben möchten.
Was ist das Baslerische an der neuen Verfassung?
Das Baslerische an der Verfassung ist vor allem, dass wir als Kirche, die weitgehend vom Staat getrennt ist, eine wesentlich grössere Selbstständigkeit vom Staat haben als andere reformierte Kirchen der Schweiz, etwa die Kirche des Kantons Basel-Landschaft. Kirchen wie die Zürcher oder die Berner Kirche, die ja auch Steuern bei juristischen Personen einziehen, sind wesentlich stärker an den Staat gebunden. Abgesehen von einzelnen Kirchen in der Westschweiz sind wir in Basel jene Schweizer Kirche, die am selbstständigsten ist. Wir nehmen damit eine Entwicklung vorweg, die den anderen Schweizer Kirchen wohl noch bevorsteht. Unsere Verfassung spiegelt das, deshalb ist sie eine typisch baslerische Verfassung.
Was ist das Evangelisch-reformierte an der neuen Verfassung?
Das kann man sich fragen. Evangelisch-reformiert ist die Kurzformel, die am Anfang im Ingress steht und im Übrigen die in der Verfassung umgesetzten Organisationsformen. Unsere Verfassung enthält kein spezifisch reformiertes Bekenntnis. Was aber spezifisch reformiert ist und sich vom lutherischen Protestantismus und erst recht vom katholischen Kirchenrecht unterscheidet, das ist der starke Bezug auf die Gemeinden: Die vorbehaltenen Rechte der Gemeindemitglieder, die Wahl der Pfarrpersonen, die von der Gesamtgemeinde vorgenommen wird, oder dass im Kirchenrat Theologen nicht die Mehrheit bilden dürfen. Auf Calvin geht unsere Ämterlehre zurück: Die drei Rollen, welche die Verfassung abbildet, sind die des Predigers und «Lehrers», die des Diakons, und die des Presbyters, also die des Leiters der Gemeinde. Da spiegeln sich die theologischen Elemente, denen eine juristisch-organisatorische Basis gegeben wird.
Was ist Ihnen persönlich an der neuen Verfassung besonders wichtig?
Mir wäre besonders wichtig, dass der Planungsprozess, so wie er jetzt in der Verfassung vorgesehen ist, umgesetzt werden kann. Zudem ist mir der Passus wichtig, der die Zusammenarbeit der Gemeinden anmahnt. Unsere Kirche soll stärker zusammenwachsen und sich vernetzen und sich nicht in Kompartimente aufteilen, zwischen denen hohe Zäune bestehen. Die Verfassung schafft dafür Möglichkeiten als Angebot. Ich hoffe, dieses Angebot wird auch genutzt, so dass auch spirituell und ganz praktisch der Funke von der einen Gemeinde auf die andere überspringt und man etwa gemeinsam Klassen führt, gemeinsam eine Diakoniestelle besetzt oder den Kanzeltausch lebt und so mehr zusammenwächst. Das wäre mein Wunsch und meine Hoffnung.
Es gab den Kirchenrechtslehrer Rudolph Sohm, der behauptete, das Recht stehe zur Kirche in einem fundamentalen Gegensatz. Aber das stimmt nicht: Die Kirche ist eine menschliche Gemeinschaft und braucht deswegen auch ihre ganz diesseitigen Ordnungen.
Warum reichen nicht einfach Statuten?
Statuten reichen durchaus. Die Kirchenverfassung der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt ist nichts anderes als das, was die Statuten eines Vereins wären. Wären wir eine privatrechtlich organisierte Kirche wie die Methodistische Kirche, dann würde unsere Ordnung «Statuten» heissen. Es ist dasselbe. Aber gleichzeitig ist dieses Statut bei uns kirchliches Recht. Die Verfassung bildet also den organisatorischen Rahmen und spiegelt unser Bekenntnis, ist also gleichzeitig ein Zeugnis der Herrschaft Christi unter der wir stehen.
Wir unterliegen alle dem staatlichen Recht – welchen Status hat daneben das kirchliche Recht?
Es hat einen anderen Status. Die Kirche ist ein eigenes Volk unter eigener Herrschaft, der Herrschaft Gottes. Sie hat deshalb ein eigenes Recht, das sich dann aber wieder der Rechtsformen bedient, die das staatliche Recht gebildet hat.
Die Kirche – ein eigenes Volk unter der Herrschaft Gottes mit eigenem Recht – das tönt, als hätten wir eine Scharia?
Die Scharia ist ein umfassendes für jedermann geltendes Zivil- und Strafrecht. Unser kirchliches Recht will nicht die ganze Menschheit ordnen, wie das die Scharia will. Wir wollen damit die Regeln setzen, die innerhalb der Kirche gelten sollen.
Wieviel Glaube gehört in die Verfassung?
Es gehört viel Glaube in eine Verfassung, indem sie nicht darum herumkommt, zu sagen, was sie glaubt oder wie wenig sie glaubt. Unsere Baselstädtische Kirchenverfassung ist in dieser Beziehung sehr sparsam und versucht, sich nicht zu verengen und eine bekenntnismässige Einschränkung herbeizuführen. Unsere baselstädtische Kirche versucht, in diesem Punkt offen zu bleiben. Die Glaubensaussage, die darin enthalten ist, ist auf den innersten Kern konzentriert, der absolut unverzichtbar ist für eine evangelische christliche Kirche.
Inwiefern ist die Gültigkeit der Verfassung auf diesen Glaubenssatz beschränkt, ist die Verfassung also Glaubenssache?
Ich würde sagen, die Verfassung gilt für die, die zu dieser Gemeinschaft gehören wollen. Das reicht, um für deren Mitglieder die Gültigkeit zu begründen. Man muss von ihnen kein bestimmtes Commitment verlangen. Wenn in der katholischen Kirche ein Bischof gewählt wird, dann muss der Bischof eine Glaubenserklärung abgeben. Das muss er sogar mit einem Eid auf die Evangelien beschwören. Dies verlangen wir von unseren Mitgliedern nicht.
Beinhaltet die Mitgliedschaft ein Glaubensbekenntnis?
Nein, die Mitgliedschaft ist noch kein Glaubensbekenntnis. Aber man anerkennt damit den Glauben der Kirche. In unserer Kirche ist es möglich, gleichsam stellvertretend glauben zu lassen: Mit seiner Mitgliedschaft in unserer Kirche drückt ein Mensch aus, dass er es bejaht, was in der Kirche geschieht. Voraussetzung dafür ist aber, dass in der Kirche gebetet wird, dass auf die Bibel gehört, dass geglaubt, dass das Bekenntnis gesprochen wird. Die Verfassung ist nichts anderes als die Basis, auf der sich dies abspielen kann. Sie ermöglicht es auf der Ebene der Organisation, der Strukturen.
Warum muss die Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche schon nach etwa einem Jahrzehnt wieder revidiert werden?
Als ich vor acht Jahren aus dem Kirchenrat zurücktrat, hatte ich schon gesagt, dass ich mir nicht einbilde, dass die Verfassung von 2010 so lange halten werde wie die vorherige, die (wenn auch mit einigen Partialrevisionen) 100 Jahre lang bestand. Unsere Kirche ist starken Veränderungen unterworfen. Die Zahl der Mitglieder und die materielle Basis spielen eine Rolle. Es fragt sich, wie viele Gottesdienstorte wir noch aufrechterhalten können, damit an diesen «Orten kirchlicher Tätigkeit» noch richtiges, gottesdienstliches Leben stattfinden kann. Auf diese Bedingungen muss die Verfassung reagieren: Wir brauchen mehr Flexibilität. Die neue Verfassung schafft vor allem den Rahmen, dass wir den Wandel, der ja weitergehen wird, ohne ständige Anpassung der Verfassung meistern können.
Was sind die wichtigsten Änderungen?
Zuallererst versuchen wir, mit den Ressourcen an Personen, die in der Lage und fähig sind, kirchliche Ämter zu versehen, sparsamer umzugehen. Die Synode wird verkleinert, bleibt aber ein Parlament, das die ganze Vielfalt der Kirche abbilden kann. Eine andere wesentliche Änderung betrifft die Planung über die Mittel, die zur Verfügung stehen. Sie soll näher an die Gemeinden rücken und vom Kirchenrat als Exekutive in enger Zusammenarbeit mit den Gemeinden erarbeitet werden. Die Synode behält ihre Kompetenz mit dem Beschluss über das Ausgabenbudget. Bisher war die Planung ja ein Gesetzgebungsakt, den die Synode vorzunehmen hatte. Wenn sich aber die Synode gestaltend einbringen wollte, war das schwierig, weil sie eine gewisse Ferne zu den Gemeinden hatte. Deshalb kam es zu einer Initiative von Gemeinden. Diese Anregung haben wir als Konsensergebnis in die neue Verfassung eingearbeitet.
Wie ermöglicht die neue Verfassung mehr Flexibilität?
Wir legen mit der neuen Verfassung die verfassungsrechtlichen Grundlagen, die ermöglichen, dass die Synode die operativen Details mit sog. Ordnungen auf der Gesetzesstufe regelt. Die Verfassung baut also gleichsam «Steckdosen» ein, in die dann (immer im Bild gesprochen) das Gerät, also die Ordnung, das kirchliche Gesetz, angeschlossen werden kann. Das Gerät, also die Ordnung, müssen wir erst noch schaffen. Aber die Verfassung gibt die Richtung vor und die rechtliche Grundlage dafür. Es braucht da in den Details noch gestalterische Ideen, wie das im Einzelnen auszuführen ist. Die Grundidee der Verfassungsrevision ist aber, dass wir gar nicht den Anspruch erheben, die nächsten 20 Jahre präzise zu regeln. Wir wollen in die Lage kommen, flexibler zu sein. Den Toaster, den man einsteckt, den kann man auch wieder auswechseln und mit einem Modell ersetzen, das weniger Strom braucht; so soll auch später eine Ordnung neuen Erfordernissen angepasst werden können, ohne dass man das Volk für eine Verfassungsrevision zur Urne bitten muss. Denn Abstimmungen sind nicht nur zeitaufwendig, sie sind auch teuer. Die Kantonsverfassung verlangt aber, dass jede Änderung der Verfassung vom Volk genehmigt werden muss.
Stellt das Volk Synode und Kirchenrat mit der neuen Verfassung eine Art Blankocheck für zukünftige Veränderungen aus?
Diese Gefahr besteht nicht. Das Volk ist nicht ausgeschaltet, es kann immer noch das Referendum gegen jeden Beschluss der Synode ergreifen. Das ist in der Kirche einfacher als beim Staat: Es genügt z. B. auch, wenn zwei Kirchenvorstände das Referendum ergreifen. Schon diese Möglichkeit, dass Kirchenvorstände ein Referendum ergreifen könnten, genügt, um in der Synode zu konsensfähigen Lösungen zu kommen. Auf der anderen Seite muss man auch sehen, dass nur ein kleiner Teil unseres Kirchenvolks, also unserer 25'000 Mitglieder, wirklich an die Urne geht. Das war auch schon so, als die Kirche noch 140'000 Mitglieder hatte. Schon damals war es nur etwa ein Zehntel der Mitglieder, die sich aktiv einbrachten. Das liegt im Wesen einer Volkskirche, die wir ja auch bleiben möchten.
Was ist das Baslerische an der neuen Verfassung?
Das Baslerische an der Verfassung ist vor allem, dass wir als Kirche, die weitgehend vom Staat getrennt ist, eine wesentlich grössere Selbstständigkeit vom Staat haben als andere reformierte Kirchen der Schweiz, etwa die Kirche des Kantons Basel-Landschaft. Kirchen wie die Zürcher oder die Berner Kirche, die ja auch Steuern bei juristischen Personen einziehen, sind wesentlich stärker an den Staat gebunden. Abgesehen von einzelnen Kirchen in der Westschweiz sind wir in Basel jene Schweizer Kirche, die am selbstständigsten ist. Wir nehmen damit eine Entwicklung vorweg, die den anderen Schweizer Kirchen wohl noch bevorsteht. Unsere Verfassung spiegelt das, deshalb ist sie eine typisch baslerische Verfassung.
Was ist das Evangelisch-reformierte an der neuen Verfassung?
Das kann man sich fragen. Evangelisch-reformiert ist die Kurzformel, die am Anfang im Ingress steht und im Übrigen die in der Verfassung umgesetzten Organisationsformen. Unsere Verfassung enthält kein spezifisch reformiertes Bekenntnis. Was aber spezifisch reformiert ist und sich vom lutherischen Protestantismus und erst recht vom katholischen Kirchenrecht unterscheidet, das ist der starke Bezug auf die Gemeinden: Die vorbehaltenen Rechte der Gemeindemitglieder, die Wahl der Pfarrpersonen, die von der Gesamtgemeinde vorgenommen wird, oder dass im Kirchenrat Theologen nicht die Mehrheit bilden dürfen. Auf Calvin geht unsere Ämterlehre zurück: Die drei Rollen, welche die Verfassung abbildet, sind die des Predigers und «Lehrers», die des Diakons, und die des Presbyters, also die des Leiters der Gemeinde. Da spiegeln sich die theologischen Elemente, denen eine juristisch-organisatorische Basis gegeben wird.
Was ist Ihnen persönlich an der neuen Verfassung besonders wichtig?
Mir wäre besonders wichtig, dass der Planungsprozess, so wie er jetzt in der Verfassung vorgesehen ist, umgesetzt werden kann. Zudem ist mir der Passus wichtig, der die Zusammenarbeit der Gemeinden anmahnt. Unsere Kirche soll stärker zusammenwachsen und sich vernetzen und sich nicht in Kompartimente aufteilen, zwischen denen hohe Zäune bestehen. Die Verfassung schafft dafür Möglichkeiten als Angebot. Ich hoffe, dieses Angebot wird auch genutzt, so dass auch spirituell und ganz praktisch der Funke von der einen Gemeinde auf die andere überspringt und man etwa gemeinsam Klassen führt, gemeinsam eine Diakoniestelle besetzt oder den Kanzeltausch lebt und so mehr zusammenwächst. Das wäre mein Wunsch und meine Hoffnung.