«Wir brauchen mehr Flexibilität, deshalb ist es wichtig, dass wir die Kirche reformieren.»
An ihrer Juni-Sitzung hat die Synode, das Parlament der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt, Beat Ochsner zum Präsidenten der Synode gewählt – zum zweiten Mal innert vier Jahren. Im Gespräch sagt er, warum er das Präsidium der ERK noch einmal übernimmt und was er sich von der laufenden Totalrevision der Kirchenverfassung erhofft.
Du übernimmst zum zweiten Mal innert vier Jahren das Präsidium der Synode, des Parlaments der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt. Warum?
Beat Ochsner: Es ist tatsächlich ungewöhnlich, dass man zweimal Präsident wird. Aber spezielle Zeiten erfordern spezielle Lösungen. Die Synode hat 2019 in meiner ersten Präsidialzeit das Strategiepapier erarbeitet. Viele Massnahmen aus dieser Strategie sind erst jetzt in Umsetzung. Deshalb hat es die Synode schon vor drei Jahren als sinnvoll erachtet, mich zum zweiten Mal zum Statthalter zu wählen und so für Kontinuität zu sorgen. Vielleicht hat die Kirche auch aus der Vergangenheit gelernt. Es ist im Moment wichtig für die ERK, dass die Umsetzung der Massnahmen rasch erfolgen kann.
Warum ist die Kirche so reformbedürftig?
Die Rechtsstrukturen der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt sind in vielen Punkten noch auf eine Grösse von 130'000 Mitgliedern ausgerichtet. Sie widerspiegeln eine Staatskirche, in der die meisten Bürger im Kanton auch Kirchenmitglieder sind. Heute haben wir noch 25'000 Mitglieder. Das heisst, dass wir erstens weniger Steuergelder zur Verfügung haben und zweitens, dass die Strukturen zu gross geworden und die Prozesse zu kompliziert sind. Die frühere Verfassung hat den Staat repliziert, für unsere heutige Mitgliederzahl ist das viel zu aufwendig. Wir haben zum Beispiel Schwierigkeiten, für alle Positionen Leute zu finden. Wir haben in der Synode immer wieder Vakanzen.
Und inhaltlich?
Inhaltlich ist die Zeit der uniformierten Landeskirche vorbei, wir möchten die unterschiedlichen Erwartungen der verschiedenen Milieus abbilden. Wir brauchen deshalb mehr Flexibilität. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Kirche reformieren. Abgesehen davon heisst es ja auch: Ecclesia semper reformanda est…
Sind sich die reformierte Kirche und die Stadt Basel fremd geworden?
Das ist eine gute Frage, aber es ist schwierig, diese Frage nur mit ja oder nein zu beantworten. Die Zahl der Kirchgänger am Sonntagmorgen ist kein Massstab für das Interesse an der Kirche und umgekehrt. Beides ist in Basel da. Das Zweite: Als man vor hundert Jahren in Basel Kirche und Staat getrennt hatte, war noch lange Zeit ein grosser Teil der Staatsbürger Mitglieder der ERK. Die Migration hat das verändert.
Also die Zuwanderung zum Beispiel von katholischen Italienern?
Genau. Seit etwa den 1960er-Jahren verliert die reformierte Kirche an Gewicht in Basel. Die Zuwanderer aus den mediterranen Ländern sind eher römisch-katholisch, Expats gehören eher einer Freikirche an. Das führt dazu, dass rein arithmetisch der Einfluss der Mitglieder der ERK im Kanton kleiner wird. Andererseits gibt es nach wie vor eine Gruppe namhafter Personen, denen die christliche Kultur in Basel-Stadt wichtig ist. Ich erinnere zum Beispiel an das Taizé-Treffen. Es hat zwar eine gewisse Entfremdung zwischen Kirche und Kanton gegeben, weil auch immer weniger Mitglieder der Behörden aktiv sind in der Kirche. In letzter Zeit ist aber wieder vermehrt wahrgenommen worden, dass die Arbeit der ERK für den Kanton sehr wichtig ist. Wir haben sicher nicht mehr die gleiche enge Verflechtung wie vor 100 Jahren, es gibt aber eine gegenseitige, wenn auch etwas distanziertere Wertschätzung.
In einem Parlament muss sich der Präsident oft neutral verhalten. Was kannst Du als Präsident zu den Reformen konkret beitragen?
Im Parlament muss der Präsident in Sachfragen und bei Abstimmungen neutral bleiben, ausser er hat den Stichentscheid zu fällen. Aber wir haben in der Synode vor zwei Jahren eine Strategie verabschiedet. Dieser Entscheid gibt dem Kirchenrat und dem Synodenpräsidium die Legitimation, Prozesse vorwärtszutreiben. Die Beschlüsse sind sogar eine Verpflichtung, die in der Strategie definierten Aspekte umzusetzen.
Die ERK arbeitet an einer Totalrevision ihrer Verfassung – warum braucht die ERK aus Deiner Sicht eine neue Verfassung?
Unsere Strukturen und internen Prozesse sind veraltet, zu kompliziert und zu arbeitsaufwendig. Wir sollten die Zeit der Freiwilligen besser nutzen als für Verwaltungsarbeit. Weil viele Strukturen und Prozesse in der Verfassung geregelt sind, braucht es eine Totalrevision der Verfassung. Wir möchten auf diese Weise eine Basis schaffen, die für die Zukunft die nötige Flexibilität bringt.
Wie viel Glaube gehört in die Kirchenverfassung?
Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass die Verfassung kein Dokument eines Glaubensbekenntnisses ist. Die Verfassung soll sich zu Glaubensfragen nur insoweit äussern, als sie den grossen Rahmen absteckt. Das macht auch die heutige Verfassung, daran wollen wir nichts ändern. Es sollen also zwei Aspekte in der Verfassung stehen. Erstens: Die Basis unserer Kirche ist Jesus Christus und das Evangelium. Zweitens: Unsere Kirche in Basel leitet sich ab aus dem Reformationsgeschehen von 1529. Man kann das etwas anders formulieren, aber mehr braucht es nicht.
Was ist für Dich die wichtigste Veränderung?
Die grössere Flexibilität für den Gemeindeaufbau und die Organe. Wir reden von einer kleineren Synode und einem kleineren Kirchenrat und davon, dass wir weniger Mittel für Strukturen brauchen.
Gibt es Punkte, die Du in der neuen Verfassung vermisst?
Grundsätzlich vermisse ich nichts, weil ich nicht erwarte, dass möglichst viel in der Verfassung geregelt wird. Wichtig ist, dass überall da, wo ein Gesetz etwas flexibel regeln soll, die Verfassung das vorsieht. Im ersten Abstimmungsbüchlein zur Totalrevision hat man einige Aspekte aufgezählt, die man nicht ändern will. Darunter auch das Verfahren einer Totalrevision. Das ist schade, es wäre gut, wenn wir das auch anpacken und auch diesen Prozess vereinfachen könnten. Ich persönlich würde vor das Volk stehen und sagen: Wir haben das so gesagt, wir sind aber klüger geworden und finden, dass wir nur noch eine Abstimmung bei einer revidierten Verfassung brauchen.
Wie entscheidend ist die neue Verfassung für die Zukunft der ERK?
Sie ist insofern entscheidend, als sie hilft, die strategischen Ziele zu erreichen. Andererseits ist auch eine neue Verfassung keine Garantie dafür, dass wir diese Ziele erreichen. Es geht vor allem darum, Ballast abzuwerfen. So gesehen ist die neue Verfassung sehr wichtig.
Gibt es etwas, worauf Du Dich als Synodenpräsident besonders freust?
Ich freue mich ganz besonders auf die vielen Kontakte mit Menschen innerhalb und ausserhalb der ERK. Fast noch wichtiger ist mir aber, dass ich darauf hoffe, eine ERK hinterlassen zu können, die in der Gesellschaft positiv wahrgenommen wird. Das ist auch das, was mich motiviert: Etwas dazu beitragen zu können, dass die ERK zukunftsgerichtet ist und in ihr viel Positives entstehen kann.
Beat Ochsner: Es ist tatsächlich ungewöhnlich, dass man zweimal Präsident wird. Aber spezielle Zeiten erfordern spezielle Lösungen. Die Synode hat 2019 in meiner ersten Präsidialzeit das Strategiepapier erarbeitet. Viele Massnahmen aus dieser Strategie sind erst jetzt in Umsetzung. Deshalb hat es die Synode schon vor drei Jahren als sinnvoll erachtet, mich zum zweiten Mal zum Statthalter zu wählen und so für Kontinuität zu sorgen. Vielleicht hat die Kirche auch aus der Vergangenheit gelernt. Es ist im Moment wichtig für die ERK, dass die Umsetzung der Massnahmen rasch erfolgen kann.
Warum ist die Kirche so reformbedürftig?
Die Rechtsstrukturen der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt sind in vielen Punkten noch auf eine Grösse von 130'000 Mitgliedern ausgerichtet. Sie widerspiegeln eine Staatskirche, in der die meisten Bürger im Kanton auch Kirchenmitglieder sind. Heute haben wir noch 25'000 Mitglieder. Das heisst, dass wir erstens weniger Steuergelder zur Verfügung haben und zweitens, dass die Strukturen zu gross geworden und die Prozesse zu kompliziert sind. Die frühere Verfassung hat den Staat repliziert, für unsere heutige Mitgliederzahl ist das viel zu aufwendig. Wir haben zum Beispiel Schwierigkeiten, für alle Positionen Leute zu finden. Wir haben in der Synode immer wieder Vakanzen.
Und inhaltlich?
Inhaltlich ist die Zeit der uniformierten Landeskirche vorbei, wir möchten die unterschiedlichen Erwartungen der verschiedenen Milieus abbilden. Wir brauchen deshalb mehr Flexibilität. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Kirche reformieren. Abgesehen davon heisst es ja auch: Ecclesia semper reformanda est…
Sind sich die reformierte Kirche und die Stadt Basel fremd geworden?
Das ist eine gute Frage, aber es ist schwierig, diese Frage nur mit ja oder nein zu beantworten. Die Zahl der Kirchgänger am Sonntagmorgen ist kein Massstab für das Interesse an der Kirche und umgekehrt. Beides ist in Basel da. Das Zweite: Als man vor hundert Jahren in Basel Kirche und Staat getrennt hatte, war noch lange Zeit ein grosser Teil der Staatsbürger Mitglieder der ERK. Die Migration hat das verändert.
Also die Zuwanderung zum Beispiel von katholischen Italienern?
Genau. Seit etwa den 1960er-Jahren verliert die reformierte Kirche an Gewicht in Basel. Die Zuwanderer aus den mediterranen Ländern sind eher römisch-katholisch, Expats gehören eher einer Freikirche an. Das führt dazu, dass rein arithmetisch der Einfluss der Mitglieder der ERK im Kanton kleiner wird. Andererseits gibt es nach wie vor eine Gruppe namhafter Personen, denen die christliche Kultur in Basel-Stadt wichtig ist. Ich erinnere zum Beispiel an das Taizé-Treffen. Es hat zwar eine gewisse Entfremdung zwischen Kirche und Kanton gegeben, weil auch immer weniger Mitglieder der Behörden aktiv sind in der Kirche. In letzter Zeit ist aber wieder vermehrt wahrgenommen worden, dass die Arbeit der ERK für den Kanton sehr wichtig ist. Wir haben sicher nicht mehr die gleiche enge Verflechtung wie vor 100 Jahren, es gibt aber eine gegenseitige, wenn auch etwas distanziertere Wertschätzung.
In einem Parlament muss sich der Präsident oft neutral verhalten. Was kannst Du als Präsident zu den Reformen konkret beitragen?
Im Parlament muss der Präsident in Sachfragen und bei Abstimmungen neutral bleiben, ausser er hat den Stichentscheid zu fällen. Aber wir haben in der Synode vor zwei Jahren eine Strategie verabschiedet. Dieser Entscheid gibt dem Kirchenrat und dem Synodenpräsidium die Legitimation, Prozesse vorwärtszutreiben. Die Beschlüsse sind sogar eine Verpflichtung, die in der Strategie definierten Aspekte umzusetzen.
Die ERK arbeitet an einer Totalrevision ihrer Verfassung – warum braucht die ERK aus Deiner Sicht eine neue Verfassung?
Unsere Strukturen und internen Prozesse sind veraltet, zu kompliziert und zu arbeitsaufwendig. Wir sollten die Zeit der Freiwilligen besser nutzen als für Verwaltungsarbeit. Weil viele Strukturen und Prozesse in der Verfassung geregelt sind, braucht es eine Totalrevision der Verfassung. Wir möchten auf diese Weise eine Basis schaffen, die für die Zukunft die nötige Flexibilität bringt.
Wie viel Glaube gehört in die Kirchenverfassung?
Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass die Verfassung kein Dokument eines Glaubensbekenntnisses ist. Die Verfassung soll sich zu Glaubensfragen nur insoweit äussern, als sie den grossen Rahmen absteckt. Das macht auch die heutige Verfassung, daran wollen wir nichts ändern. Es sollen also zwei Aspekte in der Verfassung stehen. Erstens: Die Basis unserer Kirche ist Jesus Christus und das Evangelium. Zweitens: Unsere Kirche in Basel leitet sich ab aus dem Reformationsgeschehen von 1529. Man kann das etwas anders formulieren, aber mehr braucht es nicht.
Was ist für Dich die wichtigste Veränderung?
Die grössere Flexibilität für den Gemeindeaufbau und die Organe. Wir reden von einer kleineren Synode und einem kleineren Kirchenrat und davon, dass wir weniger Mittel für Strukturen brauchen.
Gibt es Punkte, die Du in der neuen Verfassung vermisst?
Grundsätzlich vermisse ich nichts, weil ich nicht erwarte, dass möglichst viel in der Verfassung geregelt wird. Wichtig ist, dass überall da, wo ein Gesetz etwas flexibel regeln soll, die Verfassung das vorsieht. Im ersten Abstimmungsbüchlein zur Totalrevision hat man einige Aspekte aufgezählt, die man nicht ändern will. Darunter auch das Verfahren einer Totalrevision. Das ist schade, es wäre gut, wenn wir das auch anpacken und auch diesen Prozess vereinfachen könnten. Ich persönlich würde vor das Volk stehen und sagen: Wir haben das so gesagt, wir sind aber klüger geworden und finden, dass wir nur noch eine Abstimmung bei einer revidierten Verfassung brauchen.
Wie entscheidend ist die neue Verfassung für die Zukunft der ERK?
Sie ist insofern entscheidend, als sie hilft, die strategischen Ziele zu erreichen. Andererseits ist auch eine neue Verfassung keine Garantie dafür, dass wir diese Ziele erreichen. Es geht vor allem darum, Ballast abzuwerfen. So gesehen ist die neue Verfassung sehr wichtig.
Gibt es etwas, worauf Du Dich als Synodenpräsident besonders freust?
Ich freue mich ganz besonders auf die vielen Kontakte mit Menschen innerhalb und ausserhalb der ERK. Fast noch wichtiger ist mir aber, dass ich darauf hoffe, eine ERK hinterlassen zu können, die in der Gesellschaft positiv wahrgenommen wird. Das ist auch das, was mich motiviert: Etwas dazu beitragen zu können, dass die ERK zukunftsgerichtet ist und in ihr viel Positives entstehen kann.