Zum Abschied ein paar Fragen an Hans-Jörg Kundert
Nach 27 Jahren Synode und Kirchenrat tritt Hans-Jörg Kundert jetzt etwas kürzer: Der 71jährige ist aus dem Kirchenrat zurückgetreten und hofft, jetzt mehr Zeit zu haben für seine Frau und seine sieben Enkelkinder.
Warum bist Du seinerzeit Kirchenrat geworden?
Ich war von 1995 bis 2011 Mitglied der Synode und durfte in dieser Zeit mit Freude verschiedenste Funktionen übernehmen. So war ich viele Jahre Präsident der GPK und von 1997 bis 2001 zuerst Statthalter und dann Präsident der Synode. In meiner letzten, vierten Amtsperiode in der Synode (2007 bis 2011) wählte mich die Synode zum Präsidenten der synodalen Verfassungskommission. Meine Arbeit scheint bei vielen gut angekommen zu sein, wohl deshalb wurde ich in meiner letzten Synodesitzung von mehreren Synodalen auch aus anderen Fraktionen angefragt, ob ich nicht als Kirchenrat weitermachen wolle. Als Kandidat meiner kleinen Fraktion FRAK (Freier Arbeitskreis) hätte ich wohl keine Chance auf eine Wahl gehabt. Nachdem mir damals aber auch eine der beiden anderen grossen Fraktionen ihre Unterstützung zugesagt hatte, stellte ich mich der Kampfwahl gegen einen Kandidaten aus einer anderen Fraktion. Auf diese Weise kam meine kleine Fraktion zu diesem Sitz im Kirchenrat, der ihr nach Proporz eigentlich auch zusteht. Es war dies meines Wissens die letzte Kampfwahl um einen Kirchenratssitz. Heute sind die Kirchenratswahlen nicht mehr so politisch aufgeladen wie damals. Offenbar wollen sich nur noch wenige Personen für die Arbeit als Kirchenrat zur Verfügung stellen.
Warum trittst Du jetzt zurück?
Ich bin jetzt 71 Jahre alt und seit Ende letzten Jahres auch beruflich in den Ruhestand getreten. Nach 27 Jahren Synode und Kirchenrat darf ich jetzt sicher etwas kürzertreten.
An welches Erlebnis in Deiner Amtszeit erinnerst Du Dich gerne?
Dass die Synode mich 2011 trotz eines in der Kirche etablierten, sehr valablen Gegenkandidaten in den Kirchenrat gewählt hat, empfand ich als grosse Wertschätzung und als verpflichtenden Vertrauensvorschuss. Ansonsten besteht die Arbeit im Kirchenrat in strategischem Denken, harter Knochenarbeit, Ausdiskutieren von gegensätzlichen Standpunkten und im Umsetzen der gemeinsam gefassten Beschlüsse in den einzelnen Ressorts. Es geht nicht um Highlights und Tiefpunkte wie im Sport, sondern um das stete Bewusstsein von Verantwortung gegenüber der Gesamtkirche und um das Vorbereiten gut abgewogener, mehrheitsfähiger Geschäfte zuhanden der Synode. Ich erinnere mich deshalb gerne an die gesamte Arbeit im Kirchenrat.
Dass das Team im Kirchenrat unter der Leitung von Kirchenratspräsident Pfr. Dr. Lukas Kundert so gut zusammen funktioniert hat in all den Jahren, mag mit ein Grund sein, dass mir hier spontan nichts besonders Spektakuläres einfällt.
Ich hatte aber das Privileg, interessante Ressorts betreuen zu dürfen. Im Ressort Religionsunterricht durfte ich mich jederzeit auf ein kompetentes Team verlassen, und wenn es in meiner Zeit als Kirchenrat im Rektorat auch viele altersbedingte Pensionierungen gab, so hatte die Leitungskommission Unterricht, welcher ich vorstand, doch jedes Mal ein gutes Händchen in der Auswahl der Nachfolgen. Ich war immer beeindruckt, welche Fachkompetenz in dieser Kommission in einem Raum vereinigt war. Da fanden sich Schulleiter, Vertreterinnen der Religionslehrkräfte mit ihren Fronterfahrungen, Personen aus Wirtschaft und Gesellschaft, seit Neuem sogar ein Dozent der theologischen Fakultät der Uni Basel zusammen und rangen ehrenamtlich mit dem anwesenden Rektorat auf hohem fachlichem Niveau um gute Strategien und Lösungen für die Zukunft. Dasselbe spiegelt sich konfessionsübergreifend in der ökumenischen Unterrichtskommission wider. Auch dieser Kommission durfte ich turnusgemäss mehrere Jahre vorstehen.
Anlässlich eines Treffens mit Regierungsrat Dr. Conradin Cramer haben wir erreicht, dass Schule und Kirche nun in einer Arbeitsgruppe zusammenarbeiten. Für den Staat geht es darum, dass er die gesetzlich vorgegebenen Zuständigkeiten für das Fach «Natur, Mensch und Gesellschaft» (staatlicher Lehrplan 21, Kompetenzbereiche Nr. 10 bis 12) mit dem kirchlichen Lehrplan 21 analysiert und besser mit den Leistungsangeboten der Kirchen koordiniert. Ziel ist es, dass beide Seiten von den erarbeiteten Synergien profitieren können. Die Kirche wird ab 2025 bedeutend weniger Mittel zur Verfügung haben. Um den ökumenisch verantworteten kirchlichen Unterricht an den Schulen in der Zukunft mit der gleichen Qualität fortführen zu können, müssen Staat und Kirche in diesem Bereich enger und besser zusammenarbeiten und die Ressourcen zusammenlegen.
In der Geschäftsleitung des interkantonalen Kirchenboten durfte ich über Jahre hinweg zur strategischen Ausrichtung unserer Kirchenzeitung beitragen. Ich hatte dabei viele fachlich und menschlich interessante Begegnungen mit den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Kantonen.
Beim Pfarramt für Industrie und Wirtschaft beider Basel habe ich als damaliger Präsident nach der Kündigung des Trägerschaftsvertrages durch eine Partei im Jahre 2016 die Vertragsverhandlungen mit den vier Trägerkirchen geführt und dabei den jetzt gültigen Vertrag redigiert. Bedauerlicherweise muss die ERK BS das PIWi aber Ende 2024 verlassen. Die zukünftige finanzielle Lage unserer Kirche lässt uns keine andere Wahl. Das hat auch die Synode so gutgeheissen.
Was ist das grösste Problem, das die Kirche aus Deiner Sicht angehen muss?
Die grösste Herausforderung, vor die sich die ERK BS wie zunehmend andere Kirchen auch gestellt sieht, sind der permanente Mitgliederschwund und die damit stets prekärer werdende Finanzsituation. Unsere Kirche ist auf dem Wege von einer Volkskirche zu einer Mitgliederkirche, die sich nach ihrem Selbstverständnis aber auch in Zukunft als öffentlich-rechtlich anerkannte Körperschaft verstehen und für alle als offen geben möchte. Wir müssen weiterhin Wege finden, wie wir zu weiteren Drittmitteln kommen und wie wir mit weniger Geld das grosse kirchliche Angebot so gut wie möglich aufrechterhalten können. Da wird nicht nur der Kirchenrat gefordert sein, sondern auch die Synode.
Was hast du in Deiner Zeit als Kirchenrat gelernt, das Du vorher noch nicht gewusst hast?
In meinen vormaligen beruflichen Funktionen habe ich 35 Jahre als Jurist im Bund und danach in zwei Kantonen gearbeitet und den grössten Teil der Zeit als Staatsanwalt Strafuntersuchungen geführt und den öffentlichen Strafanspruch (zuletzt) insbesondere in grösseren Wirtschaftsstraffällen vor der Justiz vertreten und durchsetzen müssen. Privat habe ich durch den Einsitz in Parlamenten zudem auf kommunaler Ebene und in der Synode über Jahrzehnte hinweg legislative Erfahrungen sammeln können. Mit meiner Wahl in den Kirchenrat hat mir die Synode die Möglichkeit eröffnet, Mitglied einer richtigen Exekutivbehörde zu sein. Diese Erfahrung in der Exekutive hatte mir noch gefehlt. Die 11 Jahre in der «Regierung» unserer Kirche waren für mich deshalb sehr spannend und lehrreich.
Was hat Dich am meisten überrascht?
Mit 71 Jahren und nach langer politischer und exponierter beruflicher Laufbahn bin ich nicht mehr leicht zu überraschen. Für mich ist alles im grünen Bereich. Hervorheben könnte ich einzig, dass sowohl in der Synode als auch im Kirchenrat der Umgang unter- und miteinander bedeutend weniger ungehobelt ist als in den staatlichen Gremien.
Was machst Du jetzt?
Ich werde noch mehr mit meiner Frau und meinen sieben Enkelkindern unternehmen. Meine drei erwachsenen Kinder und deren Ehepartner wird Letzteres freuen (hoffentlich). Vor unserer Wohnungstür liegt übrigens auch ein Fussteppich mit der Aufschrift: «DER HUND wohnt hier mit seinem Personal». Das sagt doch einiges, was noch zu machen sein wird.
Meine Frau bewirtschaftet mit viel Hingabe einen Familiengarten, in dem man sich bestens ausruhen, aber auch vermehrt mitarbeiten kann. Und nicht zuletzt haben wir schon viele Jahre einen bescheidenen Rückzugsort in den Waadtländer Alpen. Da wollen wir vermehrt hinfahren und den Ruhestand geniessen. Mit mobilem WLAN kann man heutzutage trotzdem mit der ERK BS verbunden bleiben …
Ich war von 1995 bis 2011 Mitglied der Synode und durfte in dieser Zeit mit Freude verschiedenste Funktionen übernehmen. So war ich viele Jahre Präsident der GPK und von 1997 bis 2001 zuerst Statthalter und dann Präsident der Synode. In meiner letzten, vierten Amtsperiode in der Synode (2007 bis 2011) wählte mich die Synode zum Präsidenten der synodalen Verfassungskommission. Meine Arbeit scheint bei vielen gut angekommen zu sein, wohl deshalb wurde ich in meiner letzten Synodesitzung von mehreren Synodalen auch aus anderen Fraktionen angefragt, ob ich nicht als Kirchenrat weitermachen wolle. Als Kandidat meiner kleinen Fraktion FRAK (Freier Arbeitskreis) hätte ich wohl keine Chance auf eine Wahl gehabt. Nachdem mir damals aber auch eine der beiden anderen grossen Fraktionen ihre Unterstützung zugesagt hatte, stellte ich mich der Kampfwahl gegen einen Kandidaten aus einer anderen Fraktion. Auf diese Weise kam meine kleine Fraktion zu diesem Sitz im Kirchenrat, der ihr nach Proporz eigentlich auch zusteht. Es war dies meines Wissens die letzte Kampfwahl um einen Kirchenratssitz. Heute sind die Kirchenratswahlen nicht mehr so politisch aufgeladen wie damals. Offenbar wollen sich nur noch wenige Personen für die Arbeit als Kirchenrat zur Verfügung stellen.
Warum trittst Du jetzt zurück?
Ich bin jetzt 71 Jahre alt und seit Ende letzten Jahres auch beruflich in den Ruhestand getreten. Nach 27 Jahren Synode und Kirchenrat darf ich jetzt sicher etwas kürzertreten.
An welches Erlebnis in Deiner Amtszeit erinnerst Du Dich gerne?
Dass die Synode mich 2011 trotz eines in der Kirche etablierten, sehr valablen Gegenkandidaten in den Kirchenrat gewählt hat, empfand ich als grosse Wertschätzung und als verpflichtenden Vertrauensvorschuss. Ansonsten besteht die Arbeit im Kirchenrat in strategischem Denken, harter Knochenarbeit, Ausdiskutieren von gegensätzlichen Standpunkten und im Umsetzen der gemeinsam gefassten Beschlüsse in den einzelnen Ressorts. Es geht nicht um Highlights und Tiefpunkte wie im Sport, sondern um das stete Bewusstsein von Verantwortung gegenüber der Gesamtkirche und um das Vorbereiten gut abgewogener, mehrheitsfähiger Geschäfte zuhanden der Synode. Ich erinnere mich deshalb gerne an die gesamte Arbeit im Kirchenrat.
Dass das Team im Kirchenrat unter der Leitung von Kirchenratspräsident Pfr. Dr. Lukas Kundert so gut zusammen funktioniert hat in all den Jahren, mag mit ein Grund sein, dass mir hier spontan nichts besonders Spektakuläres einfällt.
Ich hatte aber das Privileg, interessante Ressorts betreuen zu dürfen. Im Ressort Religionsunterricht durfte ich mich jederzeit auf ein kompetentes Team verlassen, und wenn es in meiner Zeit als Kirchenrat im Rektorat auch viele altersbedingte Pensionierungen gab, so hatte die Leitungskommission Unterricht, welcher ich vorstand, doch jedes Mal ein gutes Händchen in der Auswahl der Nachfolgen. Ich war immer beeindruckt, welche Fachkompetenz in dieser Kommission in einem Raum vereinigt war. Da fanden sich Schulleiter, Vertreterinnen der Religionslehrkräfte mit ihren Fronterfahrungen, Personen aus Wirtschaft und Gesellschaft, seit Neuem sogar ein Dozent der theologischen Fakultät der Uni Basel zusammen und rangen ehrenamtlich mit dem anwesenden Rektorat auf hohem fachlichem Niveau um gute Strategien und Lösungen für die Zukunft. Dasselbe spiegelt sich konfessionsübergreifend in der ökumenischen Unterrichtskommission wider. Auch dieser Kommission durfte ich turnusgemäss mehrere Jahre vorstehen.
Anlässlich eines Treffens mit Regierungsrat Dr. Conradin Cramer haben wir erreicht, dass Schule und Kirche nun in einer Arbeitsgruppe zusammenarbeiten. Für den Staat geht es darum, dass er die gesetzlich vorgegebenen Zuständigkeiten für das Fach «Natur, Mensch und Gesellschaft» (staatlicher Lehrplan 21, Kompetenzbereiche Nr. 10 bis 12) mit dem kirchlichen Lehrplan 21 analysiert und besser mit den Leistungsangeboten der Kirchen koordiniert. Ziel ist es, dass beide Seiten von den erarbeiteten Synergien profitieren können. Die Kirche wird ab 2025 bedeutend weniger Mittel zur Verfügung haben. Um den ökumenisch verantworteten kirchlichen Unterricht an den Schulen in der Zukunft mit der gleichen Qualität fortführen zu können, müssen Staat und Kirche in diesem Bereich enger und besser zusammenarbeiten und die Ressourcen zusammenlegen.
In der Geschäftsleitung des interkantonalen Kirchenboten durfte ich über Jahre hinweg zur strategischen Ausrichtung unserer Kirchenzeitung beitragen. Ich hatte dabei viele fachlich und menschlich interessante Begegnungen mit den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Kantonen.
Beim Pfarramt für Industrie und Wirtschaft beider Basel habe ich als damaliger Präsident nach der Kündigung des Trägerschaftsvertrages durch eine Partei im Jahre 2016 die Vertragsverhandlungen mit den vier Trägerkirchen geführt und dabei den jetzt gültigen Vertrag redigiert. Bedauerlicherweise muss die ERK BS das PIWi aber Ende 2024 verlassen. Die zukünftige finanzielle Lage unserer Kirche lässt uns keine andere Wahl. Das hat auch die Synode so gutgeheissen.
Was ist das grösste Problem, das die Kirche aus Deiner Sicht angehen muss?
Die grösste Herausforderung, vor die sich die ERK BS wie zunehmend andere Kirchen auch gestellt sieht, sind der permanente Mitgliederschwund und die damit stets prekärer werdende Finanzsituation. Unsere Kirche ist auf dem Wege von einer Volkskirche zu einer Mitgliederkirche, die sich nach ihrem Selbstverständnis aber auch in Zukunft als öffentlich-rechtlich anerkannte Körperschaft verstehen und für alle als offen geben möchte. Wir müssen weiterhin Wege finden, wie wir zu weiteren Drittmitteln kommen und wie wir mit weniger Geld das grosse kirchliche Angebot so gut wie möglich aufrechterhalten können. Da wird nicht nur der Kirchenrat gefordert sein, sondern auch die Synode.
Was hast du in Deiner Zeit als Kirchenrat gelernt, das Du vorher noch nicht gewusst hast?
In meinen vormaligen beruflichen Funktionen habe ich 35 Jahre als Jurist im Bund und danach in zwei Kantonen gearbeitet und den grössten Teil der Zeit als Staatsanwalt Strafuntersuchungen geführt und den öffentlichen Strafanspruch (zuletzt) insbesondere in grösseren Wirtschaftsstraffällen vor der Justiz vertreten und durchsetzen müssen. Privat habe ich durch den Einsitz in Parlamenten zudem auf kommunaler Ebene und in der Synode über Jahrzehnte hinweg legislative Erfahrungen sammeln können. Mit meiner Wahl in den Kirchenrat hat mir die Synode die Möglichkeit eröffnet, Mitglied einer richtigen Exekutivbehörde zu sein. Diese Erfahrung in der Exekutive hatte mir noch gefehlt. Die 11 Jahre in der «Regierung» unserer Kirche waren für mich deshalb sehr spannend und lehrreich.
Was hat Dich am meisten überrascht?
Mit 71 Jahren und nach langer politischer und exponierter beruflicher Laufbahn bin ich nicht mehr leicht zu überraschen. Für mich ist alles im grünen Bereich. Hervorheben könnte ich einzig, dass sowohl in der Synode als auch im Kirchenrat der Umgang unter- und miteinander bedeutend weniger ungehobelt ist als in den staatlichen Gremien.
Was machst Du jetzt?
Ich werde noch mehr mit meiner Frau und meinen sieben Enkelkindern unternehmen. Meine drei erwachsenen Kinder und deren Ehepartner wird Letzteres freuen (hoffentlich). Vor unserer Wohnungstür liegt übrigens auch ein Fussteppich mit der Aufschrift: «DER HUND wohnt hier mit seinem Personal». Das sagt doch einiges, was noch zu machen sein wird.
Meine Frau bewirtschaftet mit viel Hingabe einen Familiengarten, in dem man sich bestens ausruhen, aber auch vermehrt mitarbeiten kann. Und nicht zuletzt haben wir schon viele Jahre einen bescheidenen Rückzugsort in den Waadtländer Alpen. Da wollen wir vermehrt hinfahren und den Ruhestand geniessen. Mit mobilem WLAN kann man heutzutage trotzdem mit der ERK BS verbunden bleiben …